»Die Tat einer Nacht« ist ein wenig bekannter Roman der großen viktorianischen Schriftstellerin Elizabeth Gaskell aus dem Jahre 1863. Der ursprüngliche Originaltitel »A Night’s Work» musste auf Wunsch von Charles Dickens in »A Dark Night’s Work« geändert werden, da es schauerlicher und somit zugkräftiger klang. Und weil Dickens den Roman Gaskells in seiner Zeitschrift »All The Year Round« veröffentlichte, beanspruchte er ein gewisses Mitspracherecht.

Die Tat einer Nacht

Schauerlich oder gar blutrünstig ist »Die Tat einer Nacht« keinesfalls, eher zutiefst bedrückend.

Elizabeth Gaskell schildert, wie ein Mensch, zum Zorn gereizt und befeuert vom Alkohol, einen anderen tötet und wie dieser kurze, tragische Moment weitere Menschenleben zerstört:

»Oh, mein Gott! Noch vor einer kleinen Stunde hatte ich das Blut dieses Mannes nicht auf dem Gewissen!«

Gaskell, Elisabeth, »Die Tat einer Nacht«, Berlin 2023, S. 49.

Der Wahn war für den Täter auch in diesem Fall kurz und die Reue lang …

Die Tat einer Nacht – zum Inhalt

Es fängt beschaulich an: in der englischen Provinzstadt Hamley wirkte einst erfolgreich ein rechtschaffener Notar und Rechtsanwalt namens Mr. Wilkins. Wie schon sein Großvater knüpfte er Geschäftsverbindungen auch zu adeligen Familien, gewann deren Achtung und Respekt und erwirtschaftete sich ein Vermögen. Daher konnte sein Sohn Edward die besten Schulen des Landes besuchen und zu einem kultivierten und gebildeten jungen Mann heranwachsen.

Er absolvierte wie andere junge Gentlemen die Grand Tour, sprich: bereiste das europäische Festland, und brachte viele Kunstschätze mit nach Hause. Die besten Pferde und Gewehre standen und stehen ihm fürs Jagdreiten zur Verfügung, er war und ist ein brillanter Gesellschafter, ausgestattet mit all den Fähigkeiten, um bei den Vergnügungen der Haute Volée mitzuhalten. Nur eines bleibt ihm trotz allem stets verwehrt: ein gleichberechtigter Umgang mit den Söhnen der adeligen Familien, denn er musste die bürgerliche Profession seines Vaters erlernen und ausüben.

Immerhin heiratete Mr. Wilkins Junior die Nichte eines Gentleman, ein kleiner Trost. Sie schenkte ihm eine Tochter (wie es einst so schön hieß), Ellinor. Bei der Geburt eines zweiten Kindes verstarb die junge Frau und auch dem Säugling – liebevoll von Ellinor umsorgt – war nur eine kurze Lebensspanne gegönnt. Die kleine Ellinor wurde damit nicht fertig und erkrankte schwer, nur die Liebe und Fürsorge ihres Vaters retteten sie vor dem Tode.

Seitdem sind die beiden eng verbunden und das kleine Mädchen wächst zu einer empfindsamen jungen Frau mit hohen moralischen Ansprüchen heran.

Ellinor lernt den jungen Ralph Corbet kennen, die beiden jungen Leute verlieben sich ineinander. Aber auch hier steht von Anfang an die Ungleichheit des gesellschaftlichen Ranges im Hintergrund – Ralphs Eltern sind nicht entzückt von der Braut, nur das Vermögen des Vaters und die zu erwartende Mitgift können ihren Widerstand gegen eine Vermählung besänftigen.

Alles könnte harmonisch sein, doch leider führt die Alkohol- und Genusssucht von Ellinors Vater dazu, dass er seine Geschäfte immer mehr vernachlässigt, immer mehr Geld verliert und deshalb einen Gehilfen einstellen muss. Dieser Mr. Dunster ist zwar ein fleißiger und ehrlicher Angestellter – jedoch Mr. Wilkins, seiner Tochter Ellinor und dem treuen Diener Dixon ist er zutiefst unsympathisch. Sein Äußeres, der schäbige Rock sowie seine durch Mimik zur Schau gestellte Überlegenheit stoßen sie ab.

»Dunsters gediegene Eigenschaften machten die Sache noch schlimmer; mit der Zeit verwandelte sich der Widerwille des Prinzipals [gemeint ist Mr. Wilkins] in umso entschiedenern Hass, als er sich Dunsters Unentbehrlichkeit im Geschäfte gestehen musste.«

Gaskell, Elisabeth, »Die Tat einer Nacht«, Berlin 2023, S. 21/22.

Denn die Klienten sind sehr zufrieden mit Mr. Dunster und voll des Lobes für ihn – Wilkins verschwenderische Art und nachlässige Betreibung der Kanzleigeschäfte hingegen erregt immer mehr ihren Unwillen, den sie auch offen äußern. Das wiederum steigert Wilkins‘ Hass gegen Dunster ins Unermessliche.

Die Kombination aus Hass, Eifersucht und Alkohol führt letztendlich zu einem Mord

Die Tat einer Nacht

und stürzt die Familie ins Verderben.

Die Tat einer Nacht – mein Fazit

»Schuster, bleib‘ bei Deinen Leisten« – ist es das, was Elizabeth Gaskell in ihrem Roman »Die Tat einer Nacht« vermitteln will? Oder kritisiert sie die unüberwindlichen Schranken gesellschaftlicher Standesunterschiede und die Überheblichkeit des Adels? Ich denke, beides. Warum sonst sollte sie ihren Roman mit einer genauen Beschreibung der Herkunft des Vaters beginnen und dessen fatale Entwicklung schildern, welche weitreichende Folgen für das Schicksal seiner Tochter Ellinor haben wird. Deren Gewissensqualen, ihre Loyalität, die im Gegensatz zu ihren moralischen Prinzipien steht, sind ein weiterer Schwerpunkt des Romans. Was ist verachtenswerter: eine Lüge oder ein Mord?

Den Lesern wird genug geboten, worüber sie nachdenken können!

Die Tat einer Nacht

Ein psychologisches, einfühlsam und facettenreich ausgearbeitetes Werk ist es, das die sozial engagierte Pfarrersgattin Elizabeth Gaskell (1810-1865) zwei Jahre vor ihrem plötzlichen Tod vorgelegt hat.

»Die Tat einer Nacht« ist ein absolut lesenswerter Roman aus der viktorianischen Epoche, den ich Euch ans Herz legen möchte!

Die Tat einer Nacht – mehr aus der Feder von Elizabeth Gaskell

Einige Werke Elizabeth Gaskells habe ich auf Meine Leselampe schon vorgestellt:

Die Tat einer Nacht – meine Bezugsquelle (Werbung)

Gaskell, Elisabeth, »Die Tat einer Nacht«, 152 Seiten, Berlin 2023.

#Anzeige: Der mit einem * gekennzeichnete Link oder ein Link, in dem das Wort Amazon auftaucht, ist ein sogenannter Affiliate Link. Als Amazon-Partner verdiene ich eine Provision, wenn über diesen Link ein Einkauf zustande kommt. Für Dich entstehen dabei keine Mehrkosten. Wo, wann und wie Du ein Produkt kaufst, bleibt natürlich Dir überlassen.

#Anzeige: Der mit einem * gekennzeichnete Link oder ein Link, in dem das Wort Amazon auftaucht, ist ein sogenannter Affiliate Link. Als Amazon-Partner verdiene ich eine Provision, wenn über diesen Link ein Einkauf zustande kommt. Für Dich entstehen dabei keine Mehrkosten. Wo, wann und wie Du ein Produkt kaufst, bleibt natürlich Dir überlassen.

Die Tat einer Nacht