Endlich auch mal eine niederländische »Viktorianerin« auf Meine Leselampe!!! Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar an Maren Schönfeld und an den Input-Verlag!!
Inhalt
Frauen, die den Ruf vernommen… – einige Erklärungen

»Frauen, die den Ruf vernommen… Hilda van Suylenburg«:
der vollständige Titel war zu lang für die Überschriftzeile, deshalb reiche ich ihn nun nach. Das Gleiche gilt für den Namen der viktorianischen Autorin und Feministin aus den Niederlanden: Cécile Wilhelmina Elisabeth Jeanne Petronella de Jong van Beek en Donk (1866-1944). Zu ihr komme ich später noch, erst einmal erzähle ich etwas über den Inhalt dieses Buches.
Frauen, die den Ruf vernommen… – zum Inhalt
Die junge Hilda van Suylenburg, deren Mutter kurz nach ihrer Geburt gestorben war, durfte bei ihrem Vater ein Leben ganz nach ihrem Geschmack führen. Sie konnte mit den Hunden herumtollen, mit ihrem Pferd ausreiten und kam durch den Vater in den Genuss humanistischer Bildung. Er nahm sie sogar mit auf eine Grand Tour – die sonst jungen Männern vorbehalten war – und zeigte ihr die Sehenswürdigkeiten und Kunstschätze europäischer Länder.
Doch nun ist der Vater gestorben und Hilda zieht zur Familie seiner Schwester. Bei den van Starrens in Den Haag geht das Leben einen ganz anderen Gang: gesellschaftliche Ambitionen gepaart mit Oberflächlichkeit und Gefühlskälte stehen im Vordergrund. Das Gebaren ihrer Kusinen Eugenie und Corry stößt sie bald ab, ein solch eitles und sinnleeres Leben will Hilda nicht führen! Eine standesgemäße Ehe eingehen, um dann wie eine Gefangene zu leben – mit keinem anderen Daseinszweck als Kinder zu bekommen, den Haushalt zu führen und dem Ehemann stets gehorsam zu sein?
Immer stärker empfindet Hilda van Suylenburg die Zwänge, die Ende des 19. Jahrhunderts den Frauen auferlegt werden:
»[…] Traditionen und Vorurteile ziehen sozusagen einen Zauberring um die Frau, der sie von allen Seiten umschließt und den sie nicht sprengen darf, auf die Gefahr hin als unweiblich zu erscheinen.«
de Jong, Cécile, »Frauen, die den Ruf vernommen… Hilda van Suylenburg«, Hamburg 2025, S. 158.
Reiche Frauen wie Ottilie van Heemeren vergeuden in ihren goldenen Käfigen ihre Talente, leiden unter dem erzwungenen Müßiggang und lenken sich mit Flirts und Affären ab. Eine emanzipierte Gladys van Praege muss es zulassen, dass ihr Ehemann ihr Vermögen und das ihrer Kinder verschwendet, gebilligt durch das geltende Gesetz. Mädchen aus verarmten Adelsfamilien wie Isabella Pankaert van Hozen müssen auf alles verzichten, da das Geld dem Bruder und dessen Ausbildung und Vergnügungssucht zufließt.
Statt einen sinnvollen Beruf zu ergreifen und sich so selbst ernähren zu können, lässt eine verzagte Bertha Wendelings sich darauf ein, einen alten Witwer zu ehelichen – aus finanzieller Not und auf Druck des Pfarrers Moisette, einem entschiedenen Gegner weiblicher Emanzipationsbestrebungen. Und Arbeitertochter Mariechen wird mit falschen Versprechungen von einem reichen Mann verführt und mit ihrem unehelichen Kind im Stich gelassen, der Schande ausgeliefert.
Oh, Hilda lernt viele traurige und tragische Schicksale kennen: teils durch ihre Beobachtungen in der feinen Gesellschaft, in der sie sich aufgrund ihrer Herkunft bewegt, teils durch ihren Kontakt und ihre Freundschaft mit der jungen Ärztin Cora van Oven. Müssen Frauen ihre von Politik und Kirche, sprich: von reinen Männerdomänen vorgegebene Rolle klaglos und untätig hinnehmen?
»In früheren Zeiten war es für die meisten Frauen ja beinahe eine Unmöglichkeit, eine gute Erziehung zu erhalten, und daher dürfen wir uns nicht darüber wundern, dass sich bisher so wenige unter ihnen ausgezeichnet haben, sondern im Gegenteil viel eher darüber, dass es so viele in Anbetracht ihrer äußerst ungünstigen Lebensbedingungen doch zu etwas gebracht haben.«
de Jong, Cécile, »Frauen, die den Ruf vernommen… Hilda van Suylenburg«, Hamburg 2025, S. 164/165.
In Hilda reift nach vielen Überlegungen und inneren Kämpfen der mutige Entschluss, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich in keine Abhängigkeit zu begeben. Kann es ihr gelingen? Und wird Maarten van Hervoren, der Mann, den sie liebt, Hilda auf ihrem Weg begleiten?
Frauen, die den Ruf vernommen… – mein Fazit
Ein klug geschriebenes Buch, in dem die Autorin Cécile de Jong ohne moralisch erhobenen Zeigefinger, ohne Bitterkeit, ohne Aggression auf die damalige Lebenssituation ihrer Geschlechtsgenossinnen in ihren Käfigen und Abhängigkeiten hinweist.
De Jong lässt ihre Heldin Hilda van Suylenburg für eine – ich nenne es mal – faire Emanzipation eintreten. Hilda stempelt Männer nicht pauschal ab, errichtet keine verhärteten Fronten, zettelt keine hassgeladene Revolution an.
Nein, sie möchte, dass Frauen und Männer nebeneinander und auf Augenhöhe arbeiten, für gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten. Dass sie in Beruf und Ehe als Kameraden agieren und vor dem Gesetz gleich behandelt werden. Für uns heute klingt das zahm und brav, Ende des 19. Jahrhunderts waren derlei Forderungen empörend, skandalös, ja, verstießen gegen die »gottgewollte« Ordnung. Ob Adelige oder Arbeiterin: Sie alle hatten keine Rechte, keine Stimme.
Einer der Schlüssel zur Befreiung aus den – mal mehr, mal weniger – vergoldeten Käfigen der Frauen ist der Zugang zu mehr Bildung, den auch Hilda nutzt, um ihrem Leben einen Sinn zu geben und Benachteiligten helfen zu können. Mich hat es allerdings ein wenig niedergedrückt, dass es 2025 in Sachen Emanzipation noch immer viel Nachbesserungsbedarf gibt und nicht alle Forderungen von 1897 wie die nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit bisher restlos durchgesetzt worden sind.
Cécile de Jong, selbst Tochter aus adeligem Hause, schreibt nicht nur über die Befreiung der Frauen – sie hat wie Hilda ihr Leben mutig in die Hand genommen und sich für ihre Ideale engagiert. Nur so konnte dieser Gesellschafts- und Erziehungsroman entstehen, der ein Stück »Fin-de-Siécle«-Geschichte darstellt, die sich spannend liest und nachdenklich macht.
Normalerweise gebe ich in meinen Beiträgen ja Quellen an, damit Ihr über Autoren und Werke gleich hier an Ort und Stelle nachlesen könnt. Da aber Maren Schönfeld, selbst Autorin, Schreibcoach und Lektorin, ein sehr informatives Vor- und Nachwort zu dieser liebevoll gestalteten »Perle der Literatur« aus dem Input-Verlag verfasst hat, möchte ich ihren Texten nicht vorweggreifen – das Buch und ein Podcast [1] bieten Quellen und Zusatzinformationen zur Genüge: wie das Buch bei seinem Erscheinen 1897 aufgenommen wurde, wie Cécile de Jong gelebt, geliebt und gearbeitet hat und einiges mehr.
Und daher liefere ich diesmal nur die Links zu Maren Schönfeld [2] sowie zu Ralf Plenz [3] und seinem Input-Verlag, der dankenswerter Weise eine Reihe von Klassikern überarbeitet, die Werke in ein ihnen angemessenes »Gewand« gekleidet und herausgegeben hat. »Frauen, die den Ruf vernommen…« präsentiert der Input-Verlag in einem blauen Leineneinband, bedruckt mit silbernen Lettern und nochmals umhüllt
von einer Buchbinde, auf deren Innen- und Außenseite Informationen zur Handlung, zur Autorin und zum Verlagsprogramm abgedruckt wurden und die man gefaltet als Lesezeichen verwenden kann.
Ein solches Engagement möchte ich unterstützen, damit Literatur vergangener Epochen trotz moderner »Cancel Culture« und teils überbordendem KI-Einsatz weiter in ihrer ursprünglichen Form existieren darf. Gegen behutsame Anpassungen seitens intelligenter Lektoren und Übersetzter habe ich nichts, sie sind manchmal zwecks Verständlichkeit notwendig.
Frauen, die den Ruf vernommen… – Weblinks
[1] Hier geht es zu Maren Schönfelds »Hilda-Podcast« -> https://schoenfeld.blog/
[2] Autorin, Journalistin, Lektorin, Schreibcoach: Maren Schönfeld -> https://www.autorenwelt.de/person/maren-schoenfeld, https://de.linkedin.com/in/maren-schoenfeld
[3] Und Informationen über Ralf Plenz und seinen Input-Verlag findet Ihr hier -> http://www.ralf-plenz.de/, https://www.hh-av.de/plenz-ralf/, https://input-verlag.de/impressum/
Frauen, die den Ruf vernommen… – Kauflinks
Cécile de Jong van Beek en Donk, »Frauen, die den Ruf vernommen… Hilda van Suylenburg« (1897), Roman, übersetzt von Else Otten, mit einem Vor- und Nachwort von Maren Schönfeld, erschienen als Band 32 in der Reihe »Perlen der Literatur«, Input-Verlag Hamburg, 2025.
Diesen Roman gibt es in jeder gut sortierten Buchhandlung. Ihr könnt ihn und weitere »Perlen der Literatur« natürlich auch beim Input-Verlag selbst bestellen:
https://input-verlag.de/alle-perlen-buecher/
oder über Amazon:
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Frauen, die den Ruf vernommen… – Schlussbemerkung
Einige der emanzipierten Viktorianerinnen, die (neben anderen historischen Heldinnen) in »Frauen, die den Ruf vernommen…« Erwähnung fanden, wurden auch schon einmal auf Meine Leselampe vorgestellt -> https://www.meineleselampe.de/buchtitel/mehr-mut-als-kleider-im-gepaeck/.