Inhalt
„Die schreckliche deutsche Sprache“ – Einleitung
„Die schreckliche deutsche Sprache – OT: „The Awful German Language“ – ist ein vergnĂŒgliches Essay ĂŒber die TĂŒcken der deutschen Sprache aus der Feder eines durchaus lernwilligen Amerikaners. Es war zunĂ€chst kein eigenstĂ€ndiges Buch, sondern Anhang D des Reiseberichtes „Bummel durch Europa“ oder auch „Zu Fuss durch Europa“ (“ A Tramp Abroad“).
Der amerikanische Autor aus viktorianischer Zeit, Mark Twain, war 1878 durch Deutschland, die Schweiz und Italien gebummelt (meist per Floss, Zug oder Kutsche), 1880 legte er seine Betrachtungen dem Publikum vor. Ins Deutsche ĂŒbersetzt wurden „A Tramp Abroad“ und somit auch „The Awful German Language“ erst 11 Jahre spĂ€ter…
„Die schreckliche deutsche Sprache“ – ĂŒber den Autor
Mark Twain, geboren 1835 als Samuel Langhorne Clemens in Missouri, gestorben 1910 in Connecticut, hat ein abwechslungsreiches Leben gefĂŒhrt. Er arbeitete unter anderem als Schriftsetzer, Journalist, GoldgrĂ€ber und als Lotse auf dem Mississippi. Aus dieser Lotsen-Zeit stammt auch sein KĂŒnstlername Mark Twain: „Mark Two“ = „Markierung Zwei“ auf dem Tiefenmesser entspricht einer Wassertiefe von zwei Faden [vgl. 1].
Wenn seine Werke auch humorvoll sind, spart Mark Twain nicht mit Kritik an Rassismus, Heuchelei und Machtgier seiner Zeitgenossen, wir kennen das aus „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“ oder „Die Abenteuer des Tom Sawyer“.
Mark Twain reiste gern und viel, mehrfach besuchte er Europa.
In seiner Heimat kannte der US-Amerikaner viele deutschstĂ€mmige Einwanderer und versuchte, deren Sprache zu erlernen und spĂ€ter bei seinen Aufenthalten in Deutschland anzuwenden. Seine Erfahrungen beschrieb er in „Die schreckliche deutsche Sprache“.
(Bild links: WikiImages/Pixabay, gemeinfrei)
„Die schreckliche deutsche Sprache“ – zum Inhalt
Mark Twain hat die deutsche Sprache erlernt und erprobt seine Kenntnisse in Heidelberg stolz an einem Museums-Angestellten. Der will sie als Unikum in der RaritĂ€tensammlung ausstellen – so launig beginnt die Abhandlung ĂŒber „Die schreckliche deutsche Sprache“.
Launig ĂŒbrigens auch das Ende, da fĂŒhrt Twain in einer Rede zum 4. Juli vor Studenten seine „Deutschkenntnisse“ erneut ad absurdum – durch einen hohen Anteil amerikanischer Worte.
Dazwischen erfahren wir, dass Deutsch fĂŒr Mark Twain eine ĂŒberaus unordentliche Sprache ist, ohne Systematik, voller Ausnahmen. Allein die vier FĂ€lle: Nominativ, Genitiv, Dativ (der vor allem!), Akkusativ und die daraus folgende Deklination der Personalpronomen und Adjektive treiben ihn zur Verzweiflung.
Oder die unsĂ€glichen Parenthese-SĂ€tze, im Englischen laut Twain damals ein Zeichen schlechten Stils, in Deutschland scheinbar gern gebrauchtes Stilmittel. (Eh – das kenne ich aber auch noch: ein Aufsatz fĂŒr die Uni wirkte viel wissenschaftlicher, je raffinierter verschachtelt und je lĂ€nger ein Satz konstruiert wurde!!!).
Twain kĂ€mpft tapfer mit den Geschlechtern der Substantive: er fĂŒhrt Beispiele wie „die RĂŒbe“ – „das FrĂ€ulein“ an, in seinen Augen eine unfassbare Erhöhung der RĂŒbe!!
Auch ĂŒber trennbare Verben, ĂŒber die Stellung der Verben im Satz und ĂŒber zusammengesetzte ellenlange Worte kann Twain nur den Kopf schĂŒtteln und mit gekonnten Beispielen spotten.
(Bild rechts: Biljana Jovanovic/Pixabay)
Das alles sollte man abschaffen, fordert Twain augenzwinkernd. Er schlĂ€gt vor, die deutsche Sprache zu reformieren, denn so wie sie ist, benötige der gebildete Mensch 30 Jahre, um Deutsch zu lernen, fĂŒr Englisch hingegen nur 30 Tage, fĂŒr Französisch 30 Monate (die letzten beiden Aussagen wĂŒrde vermutlich auch nicht jeder SchĂŒler unterschreiben).
Twain spendet gewissen Aspekten der deutschen Sprache durchaus Lob: praktisch die GroĂschreibung der Substantive! Wunderbar der Klang der Worte, der GefĂŒhle und Bilder erzeugt, sogar bei dem der Sprache nicht mĂ€chtigen AuslĂ€nder!!
Andererseits sind die Worte zu dĂŒnn und schlapp, um dynamische, kraftvolle AblĂ€ufe zu beschreiben oder gar damit zu fluchen, zu dem Zweck empfiehlt Twain lieber die amerikanische oder englische Sprache.
„Die schreckliche deutsche Sprache“ – mein Fazit
Deutsche Sprache – schwere Sprache! Versöhnlich und vergnĂŒglich nimmt Mark Twain die Eigen- und Besonderheiten der deutschen Sprache aufs Korn und lacht gleichzeitig ĂŒber die SchwĂ€chen der Amerikaner und EnglĂ€nder beim Erlernen.
Ein positiver Nebeneffekt: deutsche Leser können ihre Grammatik-Kenntnisse aus der Schulzeit auf diese Weise auffrischen. Und bei einer zweisprachigen Ausgabe (wie ich sie habe) auch das englische Vokabular. „Die schreckliche deutsche Sprache“ ist ein schrecklich intelligentes Buch, das schrecklich viel SpaĂ macht.
„Die schreckliche deutsche Sprache“ – mein Lese-Exemplar
Mark Twain, „Die schreckliche deutsche Sprache“, Essay, 81 Seiten, aus dem Amerikanischen ĂŒbersetzt von Ana Maria Brock, erschienen 2019 im Nikol Verlag als Lizenzausgabe (Mark Twain: AusgewĂ€hlte Werke in zwölf BĂ€nden, Bd. 5: Bummel durch Europa, Aufbau Verlag 1963).
Es gibt auch eine zweisprachige Ausgabe bei:
„Die schreckliche deutsche Sprache“ – Quellen und Weblinks
[1] Name Mark Twain, vgl. -> https://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Twain
Dieser Beitrag erschien erstmals am 28.02.2020, dann aktualisiert und ergĂ€nzt nochmals am 30.06.2020. Die nachfolgende Meine Leselampe-Vorschau (Thackeray, „Die verhĂ€ngnisvollen Stiefel“) bezieht sich somit auf den 4.3.2020.
Zu guter Letzt: Meine Leselampe-Vorschau
Die Lebensgeschichte eines viktorianischen Schlitzohrs steht als NĂ€chstes an: W.M.Thackeray: „Die verhĂ€ngnisvollen Stiefel“.