“Der berühmte Springfrosch von Calaveras und weitere Geschichten” heißt der Titel des Buches, das ich Euch heute vorstelle, in voller Länge. Und im Original: “The Celebrated Jumping Frog of Calaveras County”.

“Der berühmte Springfrosch…” – Einleitung

“Der berühmte Springfrosch von Calaveras” ist eine Erzählung des grandiosen Schriftstellers Mark Twain, die erstmals 1865 veröffentlicht wurde. Und unter diesem Titel erschien im vergangenen Jahr ein Band mit neun Kurzgeschichten und einem Essay des viktorianischen Amerikaners. Ein wenig in das Buch hineinschnuppern konntet Ihr in der Viktorianischen Zeilenreise -> https://www.meineleselampe.de/goes-springfrosch-viktorianische-zeilenreise/.

Der Nikol Verlag hat die Erzählungen aus verschiedenen Bänden herausgesucht, neu zusammengestellt und schick in rotem Leinen mit goldenem Aufdruck “verpackt”. Ich konnte leider nicht bei jeder einzelnen Geschichte herausfinden, aus welchem Jahr sie stammt.

"Der berühmte Springfrosch..."

Klar ist nur, dass Twains erste Erzählungen ab 1864 bis 1865 in der amerikanischen Wochenzeitschrift “The Californian” publiziert wurden. “Der berühmte Springfrosch aus Calaveras” brachte Twain den Durchbruch [1].

(Bild links: Catherine Stovall/Pixabay)

“Der berühmte Springfrosch…” – Inhaltsübersicht

Da es von Mark Twain viele Erzählungen und Essays in den verschiedensten Sammelausgaben gibt, werde ich Euch verraten, welche Ihr in diesem Buch findet. “Der berühmte Springfrosch von Calaveras” (wer hätte es gedacht!), “Mrs. McWilliams und das Gewitter”, “Die Geschichte des Invaliden”, “Wie man eine Erkältung kuriert”, “Die Sage von der kapitolinischen Venus”, “Der gestohlene weiße Elefant”, “Die Dreißigtausend-Dollar-Erbschaft”, “Die Eine-Million-Pfund-Note”, “Der Streich, der Ed ein Vermögen einbrachte” und der Essay “Über den Verfall der Kunst des Lügens”.

Eine bunte und abwechslungsreiche Mischung ist da zusammengekommen, Mark Twain schreibt über:

  • einen geschwätzigen alten Erzähler, der sich gern und immer wieder über den wettbesessenen Jim Smiley und dessen Springfrosch Daniel Webster auslässt. Wie weit Daniel springen kann, wie viele Wetten Smiley mit ihm gewinnt. Und wie eines Tages ein Fremder daherkommt und den Frosch hinterlistig “ausschaltet”…
  • die aberwitzigen Vorkehrungen, die ein Ehemann trifft, um seiner Gattin die Angst vor einem Gewitter zu nehmen. Wie peinlich, dass alle Nachbarn das mitbekommen und noch peinlicher, dass alle Ängste unberechtigt sind, ein Blick aus dem Fenster hätte genügt…
  • die Reise im Gepäckwagen eines Zuges mit einem vermeintlichen Sarg nebst einer “überfälligen” Leiche, einem mysteriösen Päckchen und einem entsetzlichen Geruch, der zwei Männer fast in den Wahnsinn treibt…
  • die skurrilen bis gefährlichen Heilmittel und -verfahren, die Bekannte und Freunde im Krankheitsfall empfehlen und die ein Betroffener tapfer und ohne groß darüber nachzudenken allesamt ausprobiert…
  • die Bereitwilligkeit der Welt, sich mit einfachen Mitteln hinters Licht führen zu lassen – ich musste unwillkürlich an den Skandal um gewisse Tagebücher und ein gewisses Nachrichtenmagazin im Jahre 1983 denken…
  • die abstrusen Fahndungsmethoden der Polizeibehörden im Falle eines entführten weißen Elefanten, die zu Chaos und Tod führen, dennoch selbstgefällig als Erfolge verbucht werden…
  • die Wette zweier Brüder, die erfahren wollen, ob ein Mensch, dem man eine Ein-Millionen-Pfund-Note überlässt, verhungert oder nicht verhungert, dafür jedoch ins Gefängnis kommt…
  • den Streich junger Leute, der ihren arglosen Kumpel blamieren soll, aber “nach hinten losgeht” sowie über die hohe Kunst des Verzeihens…
  • die Notwendigkeit, ja, angeblich sogar heilende und friedensstiftende Aufgabe des Lügens anhand ausgewählter Beispiele…

Kurzum: Twain schildert das rücksichtslose, gierige, einfältige, widersprüchliche, manchmal aber auch gütige und hilfsbereite Verhalten der Menschheit im Einzelfall und im Allgemeinen. Seine Mittel zum Zweck: Überspitzung und Humor (meist von der schwarzen Sorte). Twain war ein Mann der “Tall Tale”, der mündlichen Erzählung, die zu Übertreibungen neigt und dadurch einen besonderen Charme und Witz erhält.

Als “Der berühmte Springfrosch von Calaveras” 1872 ins Französische übersetzt wurde, war Twain damit sehr unzufrieden und äußerte:

“Die humorvolle Geschichte ist amerikanisch, die komische ist englisch, die spirituelle Geschichte französisch. Die Wirkung der humorvollen Geschichte hängt davon ab, wie sie erzählt wird […].”

vgl. https://de.frwiki.wiki/wiki/La_C%C3%A9l%C3%A8bre_Grenouille_sauteuse_du_comt%C3%A9_de_Calaveras.

Geht es nach mir, könnte Twain mit einer deutschen Übersetzung zufrieden sein, denn den Charakter einer mündlichen Erzählung erkenne ich in den skurrilen Geschichten dieses Sammelbandes deutlich.

“Der berühmte Springfrosch…” – Detailansicht

Auf eine ganz besondere Weise fasziniert hat mich “Die Dreißigtausend-Dollar-Erbschaft”. In Lakeside im Westen der USA lebt ein unbescholtenes Ehepaar. Er, Sally (Saladin) Foster, ist Buchhalter im ortsansässigen Gemischtwarenladen; seine Frau Aleck (Electra) erfüllt die üblichen Aufgaben als treusorgende Gattin, Mutter – zwei Töchter haben die beiden – und Hausfrau sowie die zu jener Zeit nicht so übliche Funktion der klugen Geldverwalterin und -anlegerin.

"Der berühmte Springfrosch..."

Ein todkranker Verwandter Sallys stellt den beiden eines Tages in Aussicht, von ihm in Bälde dreißigtausend Dollar vererbt zu bekommen. Bedingung: sie müssen abwarten, bis die Testamentsvollstrecker sich bei ihnen melden, sie dürfen über das Erbe keine Nachforschungen anstellen.

(Bild rechts: Patrick Pascal Schauß/Pixabay)

Jetzt fängt die Gedankenspirale an, die wohl bei fast jedem Menschen in Gang gesetzt wird, wenn ihm Reichtum winkt: es werden Pläne geschmiedet, was mit dem Geld alles angestellt werden kann. Sally denkt darüber nach, wie er es am besten ausgeben kann, Aleck darüber, wie sie es anlegen und vermehren kann. Immer tiefer spinnen die beiden sich in ihre Vorstellungen von einem reichen Leben und fortwährend erfolgreichen Börsenspekulationen ein, bis diese für sie real werden:

“Den sprunghaft steilen Anstieg, den das eingebildete Vermögen der Fosters von nun an erlebte, in allen Einzelheiten zu verfolgen, wäre zu mühsam. Es war ein Wunder, es war schwindelerregend, es war nicht zu fassen. […] Million auf Million überschüttete sie, immer noch floss der gewaltige Strom brausend umher, immer noch schwoll seine unabsehbare Flut.”

Twain, Mark, “Die Dreißigtausend-Dollar-Erbschaft”, in: “Der berühmte Springfrosch von Calaveras und weitere Erzählungen”, Hamburg, 2021, Seite 107.

Irgendwann haben die Fosters den Bezug zu ihrem wirklichen Leben völlig verloren, für sie existiert nur noch ihre Parallelwelt… und Mark Twain hat ihr Entgleiten Zug um Zug meisterlich entwickelt!

“Der berühmte Springfrosch…” – mein Fazit

“Lasst uns dankbar sein, dass es Narren gibt. Ohne sie wären wir, die anderen, zur Erfolglosigkeit verdammt.” [2]

Twain, Mark, “Der Streich, der Ed ein Vermögen einbrachte”, in: “Der berühmte Springfrosch von Calaveras und weitere Erzählungen”, Hamburg, 2021, Seite 158.

Schriftsteller wie Mark Twain dürfen dankbar sein, dass es so viele Narren auf dieser Welt gibt, denn sie liefern so viel abwechslungsreichen Stoff für so viele wunderbare Geschichten!! Und da sind wir Narren und amüsieren uns beim Lesen köstlich über die anderen Narren… Ist das nicht auch irgendwie absurd?

Ein fantastisches Buch, anspruchsvoll, heiter, bizarr, es regt zum Nachdenken an. Die Kurzgeschichten erscheinen mir wie literarisch umgesetzte Sprichworte oder biblische Sinnsprüche: “Harm set, harm get” (sinngemäß übersetzt: “Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein”/”Wer Wind sät, wird Sturm ernten”) oder “Don’t count your chicken before they are hatched” (etwa: “Verteile nicht das Fell des Bären, bevor Du ihn erlegt hast”).

Noch ein interessante Beobachtung: Mark Twain, der mit seiner Alkoholsucht zu kämpfen hatte, lässt in einigen dieser Erzählungen ab und zu das Motiv des Alkoholismus oder das des Lasters generell einfließen… Auch in seinen Romanen tauchen immer wieder Alkoholiker auf, die Suchtproblematik muss ihn doch sehr umgetrieben haben [3].

Je mehr man sich in die Geschichten einliest oder je öfter man sie liest, umso mehr Entdeckungen macht man!!

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“Der berühmte Springfrosch von Calaveras und weitere Geschichten” ist die passende Lektüre für die Urlaubsreise oder zum Entspannen und Abschalten in den eigenen vier Wänden.

(Bild links: Clker-Free-Vector-Images/Pixabay)

“Der berühmte Springfrosch…” – mein Lese-Exemplar

Twain, Mark, “Der berühmte Springfrosch von Calaveras und weitere Erzählungen”, 176 Seiten, übersetzt von Ana Maria Brock, Otto Wilck, Günther Klotz, Helmut und Christel Wiemken, herausgegeben 2021 vom Nikol Verlag, Hamburg.

“Der berühmte Springfrosch…” – Quellen und Weblinks

[1] Mark Twains Biographie -> https://de.wikipedia.org/wiki/Mark_Twain

[2] dieses Zitat steht in der Kapitelüberschrift und stammt aus Pudd’nhead Wilson’s neuer Kalender. Wer Puddingkopf Wilson ist? Nun, eine Figur aus einem Roman Mark Twains -> https://en.wikipedia.org/wiki/Pudd%27nhead_Wilson

[3] Mark Twain und der Alkohol -> https://lordsofthedrinks.wordpress.com/2015/03/28/mark-twain-the-drunken-father-of-american-literature/

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"Der berühmte Springfrosch..."