Sommerfrische: wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Oder erfrischt an Geist und Seele mit neuer Inbrunst dichten, schreiben, komponieren, musizieren, malen, regieren… Oder vom Feriendomizil derart inspiriert gleich an Ort und Stelle kreativ werden. Nach dem Wandern in den Bergen oder dem Schwimmen in klaren Seen konnte es schon mal
“Noten regnen in Bad Ischl” oder andernorts gar komplette Symphonien!!
(Bild links: Th G/Pixabay)
“Sommerfrische: Kulturgeschichten aus vergangenen Tagen” – Einleitung
Wo und wie verbrachten künstlerische und politische Größen des 18. bis 20. Jahrhunderts ihre Ferien? Was taten die, die nicht genug Geld hatten für eine Reise und daheim bleiben mussten? Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen den Begriffen “Sommerfrische” und “Urlaub”?
Um all diese Fragen beantworten zu können, haben 14 Autorinnen und Autoren fleißig recherchiert, sie sind gedanklich ihren Favoriten in deren Sommerfrische gefolgt.
Die Erlebnisse haben wir (ja, ein Beitrag ist von mir – über die Reise an den Rhein des viktorianischen Schriftstellers W.M. Thackeray) für Euch im Sammelband “Sommerfrische: Kulturgeschichten aus vergangenen Tagen” festgehalten.
“Sommerfrische: Kulturgeschichten aus vergangenen Tagen” – der Inhalt
Ganz prachtvoll residierten die Könige von Württemberg und der badische Großherzog am Bodensee in ihren “Sommerfrische”-Schlössern in Friedrichshafen und auf der Insel Mainau. Beide Orte sind heute Sehenswürdigkeiten und ziehen jährlich abertausende Touristen in ihren Bann – wie die Bodensee-Region überhaupt.
Die Insel Mainau ist die drittgrößte Insel im Bodensee…
(Bild rechts: RitaE/Pixabay)
…..und war und ist beliebt wegen ihres tropischen Klimas. Wen wundert’s, dass Großherzog Friedrich I. von Baden hier gern die Sommermonate verbrachte und seine Gärtner wahre Wunder vollbringen ließ.
Schloss Friedrichshafen ist das ehemalige Kloster Hofen der Benediktinermönche und, nein, darüber schreibe ich jetzt nicht weiter, das überlasse ich Daniela Frey, die sich in diesem Landstrich und seiner Historie genau auskennt. Lest einfach ihren Beitrag “Sommerfrische am Bodensee”…
Auch den Schriftsteller, Dichter und späteren Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse (1877-1962) und seine Frau Maria zog es nach ihrer Heirat für einige Jahre an das “Schwäbische Meer”. Von 1904 bis 1912 lebte das Paar in Gaienhofen. Thomas Hanstein hat sie dort besucht: “Hesse am Bodensee – Zuflucht einer jungen Ehe”.
Auf geht es an die Ostsee, an die Kuhrische Nehrung, in das auf litauischem Gebiet gelegene Örtchen Nida. Hier verbrachte der Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Thomas Mann (1875-1959) drei Sommer mit seiner Familie, von 1930 bis 1932.
Mann liebte den “Italienblick”, den er von seinem Sommerhaus auf das Kurische Haff hatte.
(Bild links: Makalu/Pixabay)
Heute beherbergt Thomas Manns ehemaliges Sommerfrische-Domizil, das “Thomas-Mann-Haus”, ein deutsch-litauisches Kulturzentrum.
(Bild rechts: Makalu/Pixabay)
Neugierig geworden? Raimund Gründler, der auch Theodor Fontane in die Sommerfrische an der Nordsee begleitet hat (-> https://www.meineleselampe.de/goes-sommerfrische-zeilenreise-22-kw-22/, erzählt so einiges über Thomas Manns Ferien in Nida: “Thomas Mann auf der Kuhrischen Nehrung”.
Es gibt in “Sommerfrische: Kulturgeschichten aus vergangenen Tagen” so viele lohnenswerte Ziele, die heute ebenso reizvoll sind wie damals, es muss nicht immer Mallorca sein.
Wie wäre es mit einem literarischen Ausflug mit Christine Piswanger-Richter an den österreichischen Attersee, wo der Dirigent und Komponist Gustav Mahler (1860-1911) während seines Urlaubs äußerst fleißig war? Ab 1893 verbrachte Mahler vier Sommer in der Idylle am Seeufer, wo er im “Gasthof zum Höllengebirge” mit seiner Schwester und Freunden logierte. Um in Ruhe arbeiten zu können, ließ Mahler sich 1894 ein kleines Refugium errichten: ein Häuschen , das aus einem einzigen Zimmer bestand.
In dem einstigen Komponierhäuschen in Steinbach am Attersee, von Mahler liebevoll “Schnützelputzhäusel” genannt, erinnert heute eine Dauer-Ausstellung an ihn.
(Bild links TH G/Pixabay)
Später sollte Mahler sich an anderen Urlaubsorten weitere Komponierhäuschen bauen lassen.
Kuren zur seelischen und /oder körperlichen Erholung waren in den vergangenen Jahrhunderten bei namhaften Künstlern und Adeligen sehr beliebt, die Habsburger reisten zu dem Zwecke gern nach Böhmen. Denn die Kurorte Marienbad, Karlsbad und Franzensbad genossen bereits im 18. Jahrhundert einen ausgezeichneten Ruf, wie Julia Meister in ihrem Beitrag “Habsburgische Kuren im böhmischen Bäderdreieck” schreibt.
Katharina Mölk hat Ludwig van Beethoven begleitet, der versuchte, sein Gehörleiden durch Kuren zu lindern, leider vergebens.
(Bild rechts: TH G/Pixabay)
Prinz Friedrich von Baden (1756-1817) kurte im Sommer 1785 im Schwarzwald-Kurort Bad Teinach, eine nicht immer komfortable Angelegenheit,
wie Meike Dahlström den Berichten eines seiner Begleiter entnehmen konnte und im Sommerfrische-Buch schildert:
“Jeweils um sechs Uhr morgens und um drei Uhr nachmittags werden die Zisternen mit Trinkwasser für die Kurgäste geöffnet; eine Glocke kündigt das Ereignis an. Gewiss kein vergnügen für Langschläfer! Kein Wunder, dass der Prinz sein Wasser gerne auch im Bett zu sich nimmt. Nach zwei Tagen scheint er Gefallen an seinem Getränk gefunden zu haben: “Das Wasser fängt an besser zu schmecken.””
aus: Meike Dahlström “Prinz Friedrich von Baden im Schwarzwald” im Sammelband “Sommerfrische: Kulturgeschichten aus vergangenen Tagen”, erschienen 2022 im Leiermann-Verlag.
Ach, wie viele Prominente, ihre Sommerfrische-Ziele sowie die “dazugehörigen” AutorInnen mehr könnte ich aufzählen, aber ich möchte Eurem Lesevergnügen nichts vorwegnehmen.
“Sommerfrische: Kulturgeschichten aus vergangenen Tagen” – das Schlusswort
“Sommerfrische: Kulturgeschichten aus vergangenen Tagen” sind literarische Reisen in Zeit und Raum, die für die Prominenz von einst manchmal amüsant, manchmal erholsam, manchmal arbeitsreich ausfielen. Für uns heute sind die Histörchen um die Historie aufschlussreich, sie erfreuen uns oder stimmen uns nachdenklich. Denn einfache Leute konnten früher gar nicht in die Sommerfrische reisen oder höchstens einmal in ihrem Leben, dank Christian Schaller und Thomas Hanstein wurden sie im Sommerfrische-Buch nicht vergessen.
Die Beiträge werden atmosphärisch “umrahmt” von stimmungsvollen Gedichten zur Sommerzeit, die Andrea Strobl liebevoll ausgesucht hat, wie das Gedicht “Sommerfrische” von Joachim Ringelnatz (-> siehe auf Meine Leselampe-> https://www.meineleselampe.de/und-sommerfrische-meine-leselampe-vorschau/). Herausgeber Thomas Stiegler gibt in seinem Vorwort eine Einführung und einen Überblick in die Thematik des Sammelbandes.
Das Buch weckt die Lust, mehr über vergangene Zeiten zu erfahren und selbst zu verreisen. Eine Gemeinsamkeit haben die Sommerfrische von ehedem und der Urlaub von heute: die schöne Zeit verfliegt allzu schnell und es stellt sich bei uns ein Bedauern ein,
ähnlich wie es der viktorianische Schriftsteller und Spötter William Makepeace Thackeray am Ende seiner turbulenten Rhein-Tour im 19. Jahrhundert empfand:
“Lebt wohl, Ferien und Sonne, lebt wohl, freundliche Kurzweil und angenehme Muße!”
Thackeray, W.M., “Die Kickleburys am Rhein”, Leipzig, 1965, Seite 119, zitiert in “Eine viktorianische Sommerreise” in “Sommerfrische: Kulturgeschichten aus vergangenen Tagen”.
Seit dem 1. Juni 2022 ist der Sammelband und mein Lese-Exemplar “Sommerfrische: Kulturgeschichten aus vergangenen Tagen”, 237 Seiten, Grieskirchen, Österreich, 2022, Verlag Der Leiermann (https://www.verlag.der-leiermann.com/)
im Buchhandel und bei Amazon erhältlich.