Liebesgeschichten zum Valentinstag – nach all den Morden auf Meine Leselampe eine wohltuende Abwechslung!! Und es gibt auch nichts “Saures” in diesem Jahr (1).
Inhalt
“Liebesgeschichten aus Irland” – Einleitung
“Liebesgeschichten aus Irland” – der Titel der Anthologie passt zwar zum Valentinstag, doch wer kitschige Romanzen erwartet, irrt sich. Die Erzählungen der irischen Schriftsteller sind vielschichtig: es geht mal zärtlich, mal weise zu, mal desillusionierend, mal wehmütig, mal humorig, mal keck oder zynisch, es kann auch ein wenig rau werden!
Irische Liebesgeschichten können sich so lesen:
“Wer eine selbstgerechte Frau heiratet, muss seine Geldbörse abliefern und wird auf seine alten Tage noch Briefmarkensammler, dreht Daumen (…), und lernt allmählich, Bier zu verabscheuen und zuzugeben, ja zu behaupten, dass der Mann ins Haus gehöre.”
Seite 285, aus: James Stephens “Pferde” in: “Liebesgeschichten aus Irland”, Anthologie, 481 Seiten (ohne Anhang), herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Schnack, erschienen 1969, Diogenes Verlag AG, Zürich.
oder so:
“Es ist ein unwandelbar verschwiegenes Leben in uns, um das keiner weiß als wir selbst…”
Seite 386 aus: George Moore “Heimweh” in: “Liebesgeschichten aus Irland”, Anthologie, 481 Seiten (ohne Anhang), herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Schnack, erschienen 1969, Diogenes Verlag AG, Zürich.
oder eben ganz anders!!
Ja, das ist das Wunderbare an der Auswahl, die Elisabeth Schnack getroffen hat: die unterschiedliche Gestaltung des Themas Liebe und das breite Aufgebot an SchriftstellerInnen mit G.B. Shaw, Elizabeth Bowen, Liam Flaherty, Edna O’Brian, Lord Dunsany und und und.
Einige der AutorInnen wurden noch im viktorianischen Zeitalter geboren, die anderen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Zeitspanne erstreckt sich somit von 1852 bis 1932. (Bild links: Jonas_Fehre/Pixabay)
Es war nicht leicht, mich auf nur eine der zwanzig Kurzgeschichten festzulegen, um sie Euch vorzustellen. Meine Wahl fiel auf: “Die goldene Barke” (OT: “The Golden Barque”, 1919) des Dramatikers, Schriftstellers und Journalisten Seumas O’Kelly (1881-1918, (2)). Die Novelle selbst ist vom Entstehungsdatum her nicht viktorianisch, jedoch der Autor (haha).
“Liebesgeschichten aus Irland” – “Die goldene Barke”
Mary lebt im Moor, in der Nähe eines Kanals. Eines Abends sieht sie ein Boot, von einem Pferd gezogen, gesteuert von einem jungen, gut aussehenden Seemann. Das Dämmerlicht taucht die Barke in goldenen Glanz, das Wasser spritzt silberhell auf.
Jeden Abend kommt das Boot vorbei, Mary und der Steuermann wechseln Blicke, er lässt das Horn zum Gruß ertönen, wenn er vorbeifährt.
Eines Tages, auf ihrem Weg in das entfernt gelegene Dorf, lädt der junge Mann sie ein, das Stück mitzufahren. Sein Name ist Michael.
(Bild rechts: BrinWeins/Pixabay)
Von nun an steigt Mary öfter zu, die beiden kommen sich näher. Michael schenkt ihr ein kleines goldenes Schmuckstück und hüllt sie in seinen Mantel ein, als es regnet.
“Sie schmiegte sich ein wenig an ihn und spürte, wie seine starken Arme sie umschlossen. Die goldene Barke segelte durch alle leuchtenden Meer der Götter”.
Seite 355 aus: Seumas O’Kelly “Die goldene Barke” in: “Liebesgeschichten aus Irland”, Anthologie, 481 Seiten (ohne Anhang), herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Schnack, erschienen 1969, Diogenes Verlag AG, Zürich.
Doch Michael reichen die «leuchtenden Meere der Götter» der verliebten Mary nicht, er möchte nicht nur den Kanal befahren, er träumt von den großen Schiffen auf dem weiten Meer.
Eine Zeitlang kann Mary Michael nicht treffen, sie wird anderweitig gebraucht. Eines Nachts hört sie ein langes und sanftes Tuten. Als sie wenig später wieder zur Barke geht, ist Michael nicht mehr an Bord. Sie erfährt, dass er am Abend zuvor mit einem Dreimaster in See gestochen ist.
Mary bleibt zurück – sieht der goldenen Barke nach steht lange einsam am Ufer des Kanals. Schließlich lässt sie Michaels Schmuckstück, das kein Versprechen sein sollte, ins Wasser gleiten. Auf dessen Oberfläche zersplittert das silberne Spiegelbild des Mondes.
“Liebesgeschichten aus Irland” – mein Fazit
“Die goldene Barke” ist eine sehr zarte Liebesgeschichte, die vorbei ist, bevor sie heranwachsen und sich entwickeln kann. Keine Liebesschwüre, kein melodramatisches Ende – Seumus O’Kelly erzählt einfühlsam in poetischen Bildern, Gefühle klingen an, werden aber von den Protagonisten nicht ausgesprochen oder vom Autor vor den LeserInnen ausgebreitet.
Vielleicht gehen mir diese wunderschöne Novelle und ihr Ende deshalb so unter die Haut und ich bleibe – wie Mary – voll Wehmut allein zurück.
Wie eingangs geschrieben, ist der Sammelband eine reichhaltige Fundgrube für die unterschiedlichsten Liebesgeschichten – Romantiker, Realisten und Skeptiker kommen auf ihre Kosten.
Absolut lesens- und liebenswert!!!
“Liebesgeschichten aus Irland” – mein Lese-Exemplar
“Liebesgeschichten aus Irland” von G.B.Shaw, George Moore, Lord Dunsany…und vielen anderen (insgesamt 20 SchriftstellerInnen), Anthologie, 481 Seiten (ohne Anhang), herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Schnack, erschienen 1969, Diogenes Verlag AG, Zürich.
Gibt es leider nur noch gebraucht und auf Gut-Glück (es wäre schön, wenn die Diogenes-Anthologie nochmals verlegt würde), drei antiquarische Exemplare von Diogenes habe ich gefunden:
“Liebesgeschichten aus Irland” – Quellen und Weblinks
(1) Valentinstag im vergangenen Jahr auf Meine Leselampe -> https://www.meineleselampe.de/valentinstag-suess-sauer/
(2) über den irischen Schriftsteller Seumas O’Kelly-> https://en.wikipedia.org/wiki/Seumas_O%27Kelly